Das Ersuchen von Unterstützung nicht-muslimischer Nationen bei Kriegshandlungen
Während des ersten Golfkrieges mit dem Irak, vom 2. August 1990 bis zum 28. Februar 1991[1], verurteilten viele Extremisten (die sich dem Jihād zuschrieben) das Königreich Saudi-Arabien für das Ersuchen von Unterstützung der USA und der westlichen Allianz gegen die Armee von Saddām Hussain, die in Kuwait einmarschiert ist und das Königreich bedroht hatte. Bis heute erklären viele radikale Muslime die Herrschaft und die Gelehrten Saudi Arabiens zu Abtrünnigen, aufgrund der Fatwā (islamischer Urteilsspruch), die die Stationierung des US-Militärs auf arabischen Boden erlaubte.
Eine Fatwa, die von Shaykh Ibn Baz und dem Verbund der Großgelehrten ausgestellt wurde, besagt, dass das Ersuchen von Unterstützung beim US-Militär erlaubt sei.
Wegen der gewaltigen Auswirkungen und Konsequenzen durch solch Urteile, die zur Invasion von Ländern und dem Vergießen von Blut führen können, erfordern Angelegenheiten dieser Art Urteile von den Großgelehrten des Islams.
Nur diejenigen, deren Kenntnisse rund um die islamische Rechtswissenschaft, der prophetischen Tradition (Sunnah), sowie um die vergangenen und gegenwärtigen Geschehnisse fest gegründet sind, können den Schaden und den Nutzen solcher Urteile abwägen.
Die kleineren Studenten des Wissens, die keine langjährige Erfahrung oder Weisheit haben, geschweige denn das enorme Wissen welches benötigt wird, sind nicht dazu fähig die (daraus resultierenden) Verhältnisse abzuwiegen, um somit die richtige Entscheidung zu treffen; und noch viel weniger ist der unwissende Extremist dazu fähig, dessen Handlungen und Ideologien eher von dem angetrieben werden, was er in den Medien sieht und in den Nachrichten liest, als dass, was von den religiösen Texten abgeleitet wurde.
Der Gesandte Allahs ﷺ sagte:
„Die Zeichen der Stunde sind drei: Eines von ihnen ist, dass das Wissen von den Kleinen genommen wird.“ [2]
Was die Angelegenheit selbst betrifft – das Ersuchen der Unterstützung von Nicht-Muslimen in Kriegshandlungen – so ist dies eine Angelegenheit des Ijtihād (juristische Bemühung, um ein Urteil abzuleiten) in denen sich die (Urteile der) Großgelehrten der Vergangenheit unterschieden, die sie basierend auf schriftlichen Beweisen fällten, welche uns im Qur’ān und in der Sunnah offenbart worden sind.
In Band 1, Seite 741 von at-Tahrīr wat-Tanwīr, erklärt der Autor, Ibn ʿĀshūr (verst.1393nH):
„Die Gläubigen nahmen eine Gruppe von den Ungläubigen zu Beschützern, um den Muslimen gegen ihren Feind zu helfen, wenn es unter den Ungläubigen eine Liebe zu den Muslimen und ihrer Ehre gab. Die Gelehrten waren sich bezüglich dem Urteil strittig.. Ibn al-Qāsim erklärte in al-Mudawana: „In Kämpfen ersucht man nicht die Unterstützung der Mushrikīn (Polytheisten), weil der Prophet zum Ungläubigen am Tag von Badr sagte: „Kehre um, Ich ersuche keine Unterstützung von einem Polytheisten.“ Und es wurde von Abul-Faraj und ʿAbdul-Malik bin Habīb überliefert, dass Mālik (verst.179nH) sagte: „In der Zeit der Notwendigkeit liegt kein Schaden im Ersuchen ihrer Hilfe.“ Ibn ʿAbdul-Barr sagte: „Die Überlieferung des Propheten: „Geh zurück, Ich suche keine Unterstützung von einem Polytheisten.“, so gibt es verschiedene Ansichten über die Überlieferungskette. Eine Gruppe der Gelehrten erklärten, dass sie (die Überlieferung) abrogiert wurde [3]. ʿIyād sagte: „Einige unserer Gelehrten waren der Meinung, dass es (das Verbot) nur für einen bestimmten Zeitraum gültig war und sie führen hierfür als Beweis die Unterstützung von Safwān bin Umayyah an, der zu dieser Zeit kein Muslim war und in der Schlacht von Hunayn und der Schlacht von Tā’if an der Seite des Propheten ﷺ kämpfte. Weiter führen sie als Beweis an, dass als der Prophet erfuhr, dass sich Abū Sufyān am Tag von Uhud einer Armee (gegen die Muslime) anschloss, er zu den Juden vom Stamme der Nudhair sagte: „Wahrlich, wir und ihr sind Leute der Schriften und zwischen den Leuten der Schriften gibt es das Helfen untereinander. So kämpft entweder an unserer Seite oder gibt uns einige Waffen.“ Und auf dieser Meinung finden wir Abū Hanīfah (verst.150nH), ash-Shāfiʿī (verst.204nH), al-Laith und al-Awzāʿī (verst.157nH) vor …“
Ibn Hajr al-Asqalānī (verst.862nH) erklärte:
„Das in Einklang bringen dieser zwei (Überlieferungen des Propheten)[4], kann aus verschiedenen anderen Blickwinkeln erfolgen, davon ist (die eine) dass er jenen prüfen wollte, zu dem er sagte: „Ich ersuche keine Unterstützung von einem Polytheisten“, (und sich dabei den Islam für ihn wünschte), in der Hoffnung dass dieser ein Muslim wird und seine Vermutung stellte sich als wahr heraus. Ein anderer Blickwinkel ist der, dass diese Angelegenheit dem Herrscher überlassen ist – und beide Ansichten werden in Betracht gezogen.“
Hieraus wird klar ersichtlich, dass einige der größten Gelehrten der islamischen Rechtswissenschaft das Ersuchen militärischer Unterstützung als eine Sache ansahen (dessen Entscheidung) sich nach den Ereignissen richtet, die zur jeweiligen Zeit vorherrschen.
Es gibt Anlässe, an denen es angemessen ist militärische Unterstützung zu ersuchen wenn es erforderlich ist und wiederrum andere Anlässe, bei denen der Herrscher beschließen könnte, dass kein Bedarf bzw. keine Notwendigkeit vorhanden ist.
Imām an-Nawawī (verst.676nH) führte die Aussage des Propheten (salallaahu ‘alaihi wassallam) an, in der er während der Schlacht von Badr (2nH) den Beistand des Polytheisten ablehnte, obwohl er die Hilfe des Polytheisten Safwān bin Umayyah während der Schlacht von Hunayn (8nH) ersuchte.
Imām an-Nawawī führt weiter an und erklärt, dass einige der Gelehrten die erste Überlieferung (als Beweis) für das absolute Verbot ansahen; er fährt fort indem er erklärt, dass Imām ash-Shāfiʿī (gest.204H) und andere das Ersuchen von militärischer Unterstützung von Ungläubigen erlaubten, die eine gute Meinung über die Muslime haben, eine Notwendigkeit vorhanden ist und die Nicht-Muslime fähig sind, diese Notwendigkeit zu erfüllen.
In anderen Situationen ist es unerwünscht. Er (Imām an-Nawawī) berichtet, dass dies der Standpunkt des Imām Mālik bin Anas(verst.179nH), ash-Shāfiʿī, Abū Hanīfah und der Mehrheit der Gelehrten war. [5] Vergleichbare Argumente werden von anderen hervorragenden Gelehrten wie al-Fayrozabādī in al-Muhadhab[6] angeführt, worin er die Zulässigkeit in Situationen erwähnte, in denen die Muslime auf militärische Unterstützung seitens der Ungläubigen angewiesen sind, dadurch Nutzen wahrgenommen wird und Schaden durch ihre Anwesenheit ausgeschlossen ist.
Ibn Qudāmah (verst.620nH) führt in al-Mughnī an[7], dass es unzulässig ist, die Unterstützung eines Polytheisten anzufordern, übereinstimmend mit der Ansicht des Ibn Mundhir, al-Jawzajānī und einer Gruppe anderer Gelehrter; hierauf fügt er fortfahrend hinzu, dass Imām Ahmad bin Hanbal (verst.241nH) das Ersuchen von militärischer Unterstützung der Kuffaar erlaubte; gleichermaßen weisen die Worte des al-Kharaqī auf dasselbe hin, mit der Bedingung, dass die Notwendigkeit hierfür vorhanden ist und sie eine gute Meinung über die Muslime haben, die sie unterstützen. Der geachtete Leser wird auf ähnliche Erörterungen von Ibn Taymiyyah(verst.728nH)[8], Amīr as-Sanʿānī (verst.1182nH)[9] verwiesen, in der geschlussfolgert wird, dass das Anfordern ihrer militärischen Unterstützung zulässig ist. Ash-Shawkānī (verst.1250nH)[10] erwähnt einen zusätzlichen Beweis – die Übereinkunft der Gelehrten bezüglich der Erlaubnis, den militärischen Beistand der Heuchler zu akzeptieren, welche schwerwiegender in ihrem Unglauben sind als die Ungläubigen (die ihren Unglauben nicht geheim halten). Und so auch Sidīq Hasan Khān[12], welcher schlussfolgerte, dass das Ersuchen militärischer Hilfe in Fällen der Not erlaubt ist.
Schlussfolgerung
Der Sinn dieser Erörterung ist es hervorzuheben, dass die Erlaubnis des Eintretens der US Streitkräfte in das Königreich Saudi Arabien, um die Grenzen des Landes gegen die Truppen des Ba´thist (Angehöriger der Arabisch sozialistischen Partei der Wiederauferstehung) und Kommunisten Saddām Hussain im Jahre 1990 zu verteidigen eine Entscheidung war, die Beweise aus der Sunnah des Propheten ﷺ und den Rechtgutachten der Gelehrten aus allen Zeiten enthält. Selbst wenn einige der Gelehrten aus früheren Epochen das Ersuchen militärischer Unterstützung von Ungläubigen nicht als erlaubt ansahen, sahen sie die bedeutenden Gelehrten, welche anderer Ansicht als sie waren, nicht als irregeleitete Erneuerer, Ketzer oder Ungläubige.
Beim Lesen islamischer Texte und der Aussagen der Gelehrten über die Jahrhunderte hinweg, kann man nur mit der Haltung des Shaykh ´Abdul-´Azīz Ibn Bāz, Shaikh Muhammad ibn Sālih al-’Uthaimīn und anderen, in ihren unterschiedlichen Fataawa (Rechtssprüchen) übereinstimmen, die das Eintreten ausländischer Truppen in Saudi-Arabien, um das Land vor irakischen Bedrohungen und Angriffen zu verteidigen, für zulässig erklärten.
Und dies ist noch eher der Fall, wenn man berücksichtigt, dass die kommunistische Ba`th-Partei Saddām Hussains, die Angreifer gegen die muslimische Bevölkerung Kuwaits waren und sie zusätzlich die Grenzen Saudi-Arabiens und ihre Bevölkerung bedrohten, so wie Militärschläge gegen die Stadtgemeinden Saudi-Arabiens vornahmen.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Golfkrieg#Die_irakische_Invasion_Kuwaits
[2] Sahīh al-Jāmiʿ Nr.2207
[3] Dies bedeutet, dass es zuerst verboten war ihre Unterstützung zu ersuchen und später erlaubt wurde. Der Grund für diese Ansicht ist die Ablehnung des Gesandten gegenüber der Unterstützung eines Polytheisten während der Schlacht von Badr (2nH) – und seine spätere Zustimmung während der Schlacht von Hunain (8nH).
[4] Die beiden Überlieferungen, die in Fußnote [3] erwähnt wurden
[5] Sharh Sahīh Muslim, Band 12, S. 198
[6] Band 3, S. 265
[7] Band 10, S. 447
[8] Al-Uddah fi Sharh al-ʿUmdah, Band 1, S. 565
[9] Subul as-Salām, Band 1, S. 199
[10] Nayl al-Awtār, Band 1, S. 14
[11] Nayl al-Awtār, Band 8, S. 28
[12] Ar-Rawdatun-Nadiyyah, Band 2, S. 330
Entnommen aus dem Buch “The Rise of Jihadist Extremism in the West”. Salafi Publications, Birmingham.
Quelle:
Übersetzt von Ali as-Salafi